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Bagdad liegt zwischen Teheran und Riad

30 March 2007

Der Iran wird als aufstrebende Regionalmacht beschrieben. Doch an seiner strategischen Isolation hat sich nichts geändert. Im Gegenteil, sie wurde über das letzte Jahr noch verschärft.

Im Allgemeinen wird der Iran als Regionalmacht beschrieben, deren Aufstieg mit dem Ende der Taliban Herrschaft in Afghanistan und der Sturz Saddam Husseins im Irak begann. Verstärkt wurde dieser Eindruck noch durch das ehrgeizige Nuklearprogramm der Islamischen Republik und durch die Wahlsiege Teheran freundlich gesonnener Politiker in Irak und Palästina. Und schließlich wird auch der erfolgreiche Widerstand der libanesischen Hisbollah gegen die israelische Armee im Sommer 2006 als Erfolg Teherans gewertet. So wichtig all diese Erfolge sind, an der strategischen Isolation Teherans hat sich nichts geändert. Im Gegenteil, sie wurde über das letzte Jahr noch verschärft.

Die Tatsache, dass mit der neuen Regierung in Bagdad Gruppierungen an die Macht gekommen sind, die jahrelang im schiitisch-fundamentalistischen Untergrund tätig waren und der Irak somit aus dem panarabisch-sunnitischen Lager ausgeschert ist, hat die arabisch-sunnitischen Sorgen über einen schiitischen Bogen, der angeblich vom Hindukusch bis an das Mittelmeer reichen soll, nur bestärkt. Allerdings sind diese arabischen Ängste eher imaginiert und instrumentalisiert als tatsächlich geglaubt. Denn kaum eine arabische Regierung nimmt an, dass die Iraner die arabischen Schiiten der Region vor ihren Karren spannen können. Warum also der Theaterdonner?

Ein Aspekt war, den Sympathien, die Präsident Ahmadinejad in der arabischen Bevölkerung genoss, etwas entgegenzusetzen - und wenn es nur die dumpfen konfessionellen Vorurteile aus dem Mittelalter sind. Dieses Kalkül ging erst auf, als die Bagdader Regierung mit der Hinrichtung Saddam Husseins an einem hohen islamischen Feiertag fast alle Sympathien bei den sunnitischen Muslimen verloren hatte. Sozusagen als Kollateralschaden sank damit auch das Ansehen der islamischen Republik Iran in der Region. Bis dahin eskalierte zwar bereits die konfessionelle Gewalt im Irak, in der Region jedoch erfreute sich der populistische Präsident des Iran ungebrochener Beliebtheit.

Schiitische Gefahr herbeigeredet

Teheran in die Schranken zu weisen war jedoch nur ein Grund, die schiitische Gefahr in der öffentlichen Diskussion herbeizureden. Gleich wichtig war wohl die Absicht, das amerikanische Demokratisierungsprojekt in der Region zu hintertreiben, ohne dabei gegen die USA Stellung beziehen zu müssen. Arabische Ängste, freie Wahlen würden unberechenbare und jedenfalls unerwünschte Ergebnisse zeitigen, hatten sich ja im Irak bestätigt. Seither wurde fleißig die Trommel gerührt, dass Wahlen nur mit Teheran verbündete Extremisten an die Macht bringen würde. Diesem Argument schenkten die Amerikaner aber erst nach dem Wahlsieg der fundamentalistischen Hamas Glauben.

Politische Legitimität für Hamas

Seither ist es still geworden in Washington um die Demokratisierung der arabischen Welt. Stattdessen werden die autoritären Regime als moderate Araber in der öffentlichen Debatte lobend erwähnt und der vermeintlich drohenden Gefahr einer von Teheran gesteuerten globalen schiitischen Verschwörung gegenübergestellt. Um das Maß voll zu machen, gelang es auch noch, die anti-schiitische al-Qaida, deren Mitglieder großteils aus dem extrem-sunnitischen Milieu der arabischen Halbinsel stammen, in die Nähe Teherans zu rücken. Kein schlechter Erfolg für das Land aus dem 15 der 25 Attentäter des 11. September stammen. Denn wie immer, wenn der Gegensatz zwischen Schiiten und Sunniten in der Region hochgespielt wird, handelt es sich auch hier wieder um eine Konfrontation zwischen der schiitischen Islamischen Republik Iran und der sunnitischen Monarchie Saudiarabien.

Für die Saudis war die anti-schiitische Propaganda nur soweit von Interesse, als sich damit Teherans Einfluss eindämmen ließen. Sicherlich, sollte der Irak zusammenbrechen, würde den Saudis kaum etwas anderes übrig bleiben, als sunnitische Gruppen zu unterstützen, so wie Teheran auf Seiten der Schiiten stehen würde. Das liegt aber weder im Interesse Teherans und Riads genauso wenig wie ein Ausbrechen des konfessionellen Feindseligkeiten im Libanon oder ein palästinensischer Bürgerkrieg. In beiden Fällen gelang es aber der saudischen Diplomatie, die Initiative zu ergreifen und den eigenen Handlungsspielraum Teheran, und nicht nur Teheran, gegenüber zu erweitern. Mit dem Abkommen von Mekka zum Beispiel gelang es den Saudis, die Hamas aus der ohnehin halbherzigen Umarmung Teherans zu lösen und über den Umweg einer Koalitionsregierung in den arabisch sunnitischen Mainstream zurückzubringen. Gleichzeitig haben die Saudis damit aber auch der Hamas politische Legitimität zugestanden, was von den USA und Israel ausdrücklich abgelehnt wird.

Eine ähnliche Tendenz scheint sich im Libanon abzuzeichnen. Die Bruchlinien zwischen Hisbollah und ihren Verbündeten und der Regierung sind nur zum Teil konfessioneller Natur. Genauso wichtig sind soziale Spannungen und die Frage, wer nach dem Abzug der Syrer die bis zum Bürgerkrieg gültige Hegemonie der maronitischen Christen beerben wird. Hier kann Teheran außer Waffenlieferungen nicht viel anbieten, und Hisbollah-Chef Nasrallah ist zu durchtrieben und seit dem letzten wie auch immer fragwürdigen Erfolg gegen Israel auch zu selbstbewusst, um sich von Teheran gängeln zu lassen. Ähnliches gilt für Großayatollah Fadlallah, einem der wichtigste Vertreter der hohen schiitischen Geistlichkeit, der weder finanziell noch politisch von Teheran abhängig ist. Beide haben über die letzten Jahre so viel politischen Realismus und Pragmatismus bewiesen, dass eine Kompromisslösung à la libanaise zwischen dem von den Saudis unterstützten Regierungslager und der Hisbollah möglich erscheint - auch ohne Rücksprache mit Teheran.

Teheran nicht isolieren

Gleichzeitig war die saudische Diplomatie klug genug, Teheran nicht vor den Kopf zu stoßen und zu isolieren. Ein weiteres Ziel der Eindämmung des iranischen Einflusses war es ja, der Ahmadinejadschen Außenpolitik einen Riegel vorzuschieben, um so einer eventuellen militärischen Eskalation zwischen dem Iran und den USA vorzubeugen. Saudis und Iraner pflegten daher Besuchsdiplomatie, die teilweise erfolgreich der Vertrauensbildung diente. Der Mangel an Vertrauen zwischen Teheran und seinen arabischen Nachbarn sowie zwischen Teheran und der internationalen Gemeinschaft über sein Atomprogramm ist jene negative Rahmenbedingung, welche eine Lösung der anstehenden Probleme mit der Islamischen Republik unmöglich macht. In beiden Fällen gilt es, Teheran seine Grenzen aufzuzeigen, gleichzeitig aber unmissverständlich klarzumachen, dass man weder an einer totalen Isolierung des Iran oder an einer Demütigung des Regimes interessiert ist.

Letzte Chance für Annäherung Irak-USA

Vor diesem Hintergrund bietet die Bagdader Konferenz die wahrscheinlich letzte Chance für eine Annäherung zwischen den USA und dem Iran. Gesetzt den Fall, beide Seiten nutzen die Gunst der Stunde, könnte tatsächlich eine positive Dynamik in der Atomfrage in Gang gesetzt werden. Für die irakische Regierung würde eine amerikanische Annäherung an den Iran (und Syrien) zunächst bedeuten, dass auf seinem Territorium keine Rechnungen zwischen den besagten Kontrahenten beglichen werden. In weiterer Folge könnte sogar ein Mechanismus in Gang gesetzt werden, der den Bürgerkrieg der 1990er-Jahre in Kurdistan beendet hat. Bis dahin werden jedoch die alten irakischen Eliten (meistens Sunniten) und die neuen, überwiegend schiitischen Eliten ihre jeweiligen Einflussbereiche im Land erkämpfen. An der täglichen Gewalt im Irak wird sich daher mittelfristig kaum etwas ändern.