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Auf der Suche nach Vertrauen

15 March 2006

Die Beziehungen der EU zur Islamischen Republik Iran gestalteten sich seit jeher schwierig. Erst als das Regime in den 1990er Jahren seinen internationalen Pariah-Status überwinden wollte und sich in seiner Rhetorik sowie in seine Außenpolitik mäßigte, war an ein Ausloten gemeinsamer Interessen überhaupt zu denken. Alsbald wurde auf Ebene von Vizeministern ein Gesprächsformat eingerichtet das als kritischer Dialog bekannt geworden ist. Beide Seiten sahen dies als langfristiges Engagement zur gegenseitigen Vertrauensbildung. Von dritter Seite wurde der kritische Dialog oft verleumdet und den Europäern entweder Naivität im Umgang mit Schurkenstaaten oder reine Profitgier vorgeworfen. Doch die Transparenz des kritischen Dialogs unterschied sich merklich von diversen amerikanischen Fiaskos wie der Iran-Contra Affäre oder der gescheiterten "double-containment" Politik des älteren Bush und Clintons.
Aufgrund verschiedener Sanktionen und der islamistischen Ideologie ist die iranische Wirtschaftspolitik nach wie vor von einem starken Streben nach Autarkie bestimmt. Daher ist die iranische Haltung im Nuklearprogramm keineswegs unverständlich: ein ziviles Atomprogramm - und um ein solches handelt es sich nach iranischer Darstellung - muß alle Elemente im eigenen Land produzieren können. Die friedliche Natur des iranischen Programmes mußte in Zweifel gezogen werden, als ein über Jahre geheim gehaltenes Programm bekannt wurde. Die daraus resultierende Krise hat die Dynamik und das Format der europäisch-iranischen Verhandlungen nachhaltig verändert.
Im Herbst 2003 entschlossen sich die Außenminister der "großen drei" Deutschland, Frankreich und Großbritannien zur sogenannte E3/EU Initiative, in der prioritär zunächst die Nuklearfrage gelöst werden sollte und anschließend alle weiteren ausständigen Fragen (Menschenrechte, Handelsabkommen usw.) Damit stellte die Union ihre Handlungsfreiheit, die während des Irakabenteuers schweren Schaden genommen hatten, unter Beweis. Die Iraner zeigten sich durchaus kooperativ, akzeptierten das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag und unterzeichneten im November 2004 ein Memorandum, in dem sie freiwillig gewisse Teile ihres Atomprogrammes einstellten. Aus europäischer Sicht waren diese Schritte notwendige vertrauensbildende Maßnahmen, aus iranischer Sicht war es ein Entgegenkommen, das nur ein weiterer Schritt in Richtung einer endgültigen Regelung gewesen wäre. Nach fast zwei Jahren zäher Verhandlungen, in denen die EU von den USA unterstützt wurde, wollten weder die Europäer an die friedliche Natur des iranischen Atomprogrammes glauben, noch waren sich die Iraner sicher, daß die Europäer ihre Versprechungen vor allem im Bereich des Technologietransfers wirklich erfüllen werden.
Mit der Wiederaufnahme der Forschungstätigkeit im Sommer 2005 setzten die Iraner einen Schritt, der die Europäer dazu zwang, ihr bislang letztes Angebot vorzulegen, das postwendend zurückwiesen wurde. In weiterer Folge verschlechterte sich das iranisch-europäische Klima zusehends obwohl beide Seiten an einer gütlichen Verhandlungslösung interessiert blieben. Die iranische Diplomatie - und damit letzten Endes der Hohe Nationale Sicherheitsrat der Islamischen Republik - war von der Furcht besessen, daß ein weiterer freiwilliger Verzicht auf die Urananreicherung als fait accompli verstanden würde und Iran somit eines Rechts, das ihm nach landläufigen Interpretation des Atomwaffensperrvertrages zustünde, verlustigt ging. Da das Regime die Atomfrage zu einer Sachen der nationalen Ehre hochgespielt hatte und die Medien des Landes laufend über die Bedeutung des Programmes berichteten, konnte es, selbst wenn es wollte, in dieser Frage nicht mehr nachgeben, ohne großen Ansehensverlust in der eigenen Bevölkerung, vor allem unter den radikalen Anhängern des Regimes, hinnehmen zu müssen.
Diese radikalen Elemente hatten nun mit Ahmadinejad einen Präsidenten, der ihnen aus dem Herzen sprach und der sich von den mächtigen Kreisen des Regimes den Mund nicht verbieten ließ. Die iranische Außenpolitik fuhr von nun an auf zwei Schienen. Einer rationalen, offensichtlich von Nationalen Sicherheitsrat bestimmten, in der die Iraner ihre Verhandlungsbereitschaft betonten und eine idoelogische, vom Präsidenten geführte "public diplomacy", die in Rekordzeit das Ansehen der Islamischen Republik im Westen ruinierte. Es war jedoch die eigentlich rationale Politik die die Iraner jene rote Linie überschreiten ließ, die für die Vertrauensbildung und eine gedeihliche Fortsetzung der Verhandlungen essentiell waren. Die Inbetriebnahme von Forschungstätigkeiten im September 2005 und im Jänner 2006 waren ein Signal, daß die Islamische Republik zwar international bindende Verträge einhält, die Europäer jedoch kein weiteres freiwilliges Entgegenkommen erwarten dürfen. Nach der Verurteilung Irans durch die Atomenergiebehörde, vereinte die Polemik um die Veröffentlichung blasphemischer Karikaturen des Propheten die beiden außenpolitischen Schienen: der kontrollierte Angriff eines gesteuerten Mobs auf die Österreichische Botschaft sollte auch als Warnung dienen, daß den Iranern im Atomstreit langsam die Geduld ausgeht. Noch sind sie jedoch an einer Verhandlungslösung interessiert. Sollte dies gelingen, würde Ahmadinejad wieder zu dem werden, wofür ihn das Regime ausgewählt hat: zum sozialen Populisten der den Ärger der verarmenden Bevölkerung, vom Regime ablenkt.